NOMOS Glashütte Tangente neomatik platingrau

Die NOMOS Glashütte Tangente neomatik platingrau ist die neueste Version der deutschen Markenikone. Die Designsprache der ersten Tangente aus dem Jahr 1992 wurde beibehalten, das Modell ist nie veraltet und wirkt weiterhin frisch und geschmackvoll zurückhaltend. Angus Davies nimmt die jüngste Version dieser Uhrenikone aus der sächsischen NOMOS-Manufaktur unter die Lupe.

Am9. November 1989 wurde die Berliner Mauer niedergerissen, und plötzlich sah die Zukunft für viele Deutsche viel rosiger aus. Mit dem Aufbruch in eine neue Zeit ging ein Gefühl des Optimismus durch die Welt. Diese Aufbruchstimmung war auch bei Roland Schwertner spürbar. Im Januar 1990, nur zwei Monate nach dem Fall der Berliner Mauer, gründete er seine Uhrenmarke NOMOS Glashütte.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Im Jahr 1992 brachte die deutsche Marke ihre ersten Modelle auf den Markt, ein Quartett von Bauhaus-inspirierten Kreationen, darunter die Ludwig, Orion, Tangente und Tetra.

Die Tangente, die jetzt ihren30. Geburtstag feiert, ist die meistverkaufte deutsche Uhr. Trotz der Zeit sieht sie immer noch frisch aus und respektiert weiterhin die Designcodes des ursprünglichen Modells von 1992. Das mag zwar den Eindruck erwecken, dass das Glashütter Team viele Jahre lang Däumchen gedreht hat, doch das Gegenteil ist der Fall.

Unter dem Zifferblatt der Tangente verbirgt sich viel mechanische Innovation. Die erste Tangente war mit einem Handaufzugswerk ETA Peseaux 7001 ausgestattet. Im Jahr 2005 wurde dieses Schweizer Uhrwerk jedoch durch die hauseigene Kreation der Marke, das Alpha-Uhrwerk, abgelöst. Danach präsentierte die deutsche Marke ihre hauseigene Hemmung, das “Swing System” (2014) und ein ultraflaches Automatikwerk, das Kaliber DUW 3001 (2015).

Im Laufe der Jahre hat die Tangente zahlreiche Varianten hervorgebracht, die verschiedene Zifferblattfarben und in einigen Fällen auch gemusterte Zifferblätter umfassen. Auch Taucheruhren und die “Update”, ein Modell mit einer ausgeklügelten Datumsanzeige, gehören inzwischen zum Tangente-Sortiment. Die engagierten Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten bis spät in die Nacht, um neue Wege zu finden, die Uhrenliebhaber zu begeistern.

Jetzt gibt es einen Neuzugang in der Tangente-Kollektion der Marke, die NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum grey (die Marke bevorzugt US-Englisch). Das bekannte Rezept aus Stunden, Minuten und kleinen Sekunden in einem erfrischend schlichten Gehäuse, angetrieben vom ultraflachen Kaliber DUW 3001. Die Uhr ist in vier Versionen erhältlich, zwei Modelle sind in einem 35-mm-Gehäuse und zwei in einem 38,5-mm-Gehäuse untergebracht. Außerdem gibt es diese neue Version wahlweise mit einem massiven Boden oder einem Saphirglasboden. NOMOS stellte zwei Exemplare des Modells zur Verfügung, ein 35-mm- und ein 38,5-mm-Modell, die beide mit einem Sichtboden ausgestattet sind (Ref. 189 bzw. Ref. 144).

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Ich persönlich habe mich zur Tangente neomatik 39 platingrau hingezogen gefühlt, vor allem weil ihre Abmessungen besser zu meinem Körperbau passen, und dieses Modell steht im Mittelpunkt meines Berichts.

Das Zifferblatt

Der Name dieses Modells mag vermuten lassen, dass das Zifferblatt aus dem edelsten aller Edelmetalle besteht. Sicherlich gibt es eine kleine Anzahl von replica Uhren mit Platin-Zifferblättern, doch diese sind in der Regel in den seltenen Höhen der Haute Horlogerie angesiedelt und kosten entsprechend sechsstellige Beträge. Nein, die NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum grey hat kein massives Platin-Zifferblatt, das schließt ihr egalitärer Preis aus.

Allerdings hat die deutsche Marke bei der Namensgebung ihrer Uhr nicht gegeizt. Das Zifferblatt ist mit Rhodium beschichtet, einem der sechs Metalle der Platingruppe, zu denen auch Ruthenium, Palladium, Osmium, Iridium und natürlich Platin gehören.

Interessanterweise wird Rhodium in der Uhrenindustrie häufig zur Behandlung von Werkplatinen und Brücken verwendet. Das sächsische Unternehmen versieht die Hauptplatine und die Dreiviertelplatine des Kalibers DUW 3001 mit einer Rhodiumschicht, um die Gefahr von Korrosion zu verringern.

Dem Zifferblatt hat NOMOS durch die Behandlung mit Rhodium einen subtilen und zurückhaltenden Charakter verliehen. Von der Firma als “grau” beschrieben, ist die Epidermis viel komplexer, als ein Wort es ausdrücken könnte. Ruhig und zurückhaltend, wird sie im Sonnenlicht lebendiger, wo die Grautöne metallischer erscheinen.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Die Stunden- und Minutenzeiger folgen der Philosophie “form follows function” und verdeutlichen die Bedeutung mit außergewöhnlicher Effizienz. Neben ihrem klaren Erscheinungsbild sind sie aber auch elegant.

Wie bei den historischen Tangente-Modellen bestehen die Stundenmarkierungen aus Stabindexen für die ungeraden und arabischen Ziffern für die geraden Stunden. Der Schriftzug ist ein NOMOS-Unikat und prägt die Tangente seit dem Erscheinen des ersten Modells im Jahr 1992. Jede Stundenmarkierung ist langgezogen und verleiht der Anzeige einen Hauch von Raffinesse.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Unterhalb der 12-Uhr-Position ist der Schriftzug der Marke in schwarzer Schrift zu sehen. Darunter ist das Wort “neomatik” in einem kontrastierenden Goldton dargestellt.

Schließlich befindet sich im unteren Teil des Zifferblatts eine kleine Sekundenanzeige. Sie ist leicht vertieft und mit Schnecken belebt. Sie ist wohl das auffälligste Element des Zifferblatts, aber alles bleibt schick und unverwechselbar NOMOS.

Der Fall

Das Edelstahlgehäuse ist zweiteilig, Ober- und Unterteil treffen knapp über der Krone aufeinander. Bei der Beurteilung des Stils der NOMOS Glashütte Tangente neomatik platingrau stellt sich immer wieder das Gefühl von nüchterner Effizienz ein. Die Bandanstöße sind schlank, kantig und ohne Rundungen. Sie verzichten auf unnötigen Schnickschnack, halten das Armband sicher fest und bieten einen beeindruckenden Tragekomfort. Interessanterweise wirkt das 38,5 mm große Gehäuse am Handgelenk größer, als es der angegebene Durchmesser vermuten lässt. Ich vermute, dass die verlängerten Bandanstöße eine Schlüsselrolle bei dieser Eigenschaft spielen, die größer als die Realität ist.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

Während manche Uhren aufwändig geformte Gehäuse mit gewölbten Gehäusebändern und zahlreichen abgeschrägten Kanten haben, setzt NOMOS auf einen minimalistischen Ansatz. So bilden Ober- und Unterteil des Gehäuses, einmal zusammengefügt, einen flachen Zylinder mit geraden Seiten.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Das Gehäuse ist durchgehend hochglanzpoliert, ein überraschendes Detail angesichts der Vorliebe der Marke für raffiniertes Understatement. Dennoch setzt diese Version der Tangente die Vorliebe der Marke für ein zurückhaltendes Design fort.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Auf der Rückseite ist der Gehäuseboden mit einer Scheibe aus Saphirglas versehen, die den Blick auf das automatische Uhrwerk freigibt. Die Marke bietet die Option eines massiven Gehäusebodens an, der sich für eine persönliche Gravur eignet und eine nützliche Kostenersparnis von 300 £ bietet.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

NOMOS ist bekannt dafür, seine Uhren mit Horween Genuine Shell Cordovan-Armband zu präsentieren, und die Ref. 144 beweist keine Ausnahme. Das Band ist mit einer Dornschließe aus Stahl gepaart.

Das Uhrwerk – ultradünn

Im Jahr 2015 stellte NOMOS das Kaliber DUW 3001 vor. Dieses hauseigene Uhrwerk mit Automatikaufzug war das erste der Kaliberserie “neomatik”. Mit einer Höhe von nur 3,2 mm sind die Abmessungen des Werks eher typisch für ein Handaufzugswerk.

In der Vergangenheit waren ultraflache Kaliber der Haute Horlogerie vorbehalten und entsprechend teuer. Doch NOMOS hat, ganz im Sinne der Gleichberechtigung, das Genre der Ultradünnen demokratisiert.

Image: Copyright: NOMOS Glashütte

Die Herstellung einer ultradünnen Uhr ist unglaublich kompliziert. Es ist notwendig, die Komponenten so zu positionieren, dass sie auf einer ähnlichen Ebene liegen und gleichzeitig ein ausreichendes Maß an Torsionssteifigkeit gewährleistet ist. In einigen Fällen konnte NOMOS die Rolle mehrerer Komponenten vereinfachen und so die Anzahl der benötigten Teile reduzieren.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

NOMOS hat in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden ein neues, effizienteres Räderwerk entwickelt. Dies führte zu einem geringeren Energieverlust durch Reibung, wodurch der Wirkungsgrad des Kalibers auf bemerkenswerte 94,2 % gesteigert werden konnte. Durch die Optimierung des Wirkungsgrads des Räderwerks konnte NOMOS die Größe der Triebfeder reduzieren und so die Bauhöhe des Kalibers verringern. Das Kaliber DUW 3001 hat eine Gangreserve von bis zu 43 Stunden. Die Werkhöhe von 3,2 mm ist ein wesentlicher Grund für die bescheidene Gehäusedicke von 6,9 mm.

Die Bewegung – NOMOS-Schwungsystem

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte von NOMOS das unermüdliche Streben nach Unabhängigkeit. So brachte die Marke 2005 ihr erstes hauseigenes Uhrwerk auf den Markt – eine Leistung, die vielen Uhrenmarken verwehrt bleibt. Im Jahr 2014 überraschte sie jedoch viele Branchenbeobachter, als sie ihr eigenes “Swing-System” vorstellte.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Als NOMOS-Schwingsystem bezeichnet das Unternehmen die Hemmung und das Regulierorgan. Die Herstellung dieser Komponenten ist die ultimative Herausforderung für jede Uhrenmarke, da zahlreiche technische Hürden überwunden werden müssen. Aus diesem Grund wenden sich viele Marken an spezialisierte Unternehmen in der Schweiz. Es gab aber auch schon Fälle, in denen solche Bauteile knapp waren. NOMOS war entschlossen, ein eigenes System zu haben und damit seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen.

Auch hier hat NOMOS in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden viel Zeit und Geld in die Entwicklung des Schwingsystems gesteckt. Ein entscheidendes Element in diesem Gefüge ist die Spiralfeder, die in der Unruh sitzt.

Die Spiralfeder besteht aus einer Legierung, über deren Zusammensetzung jedoch alle Hersteller von Spiralfedern Stillschweigen bewahren. In der Tat ist es immer ein streng gehütetes Geheimnis. Diese Legierung, die normalerweise in Form von Draht auf einer Spule geliefert wird, wird über eine Reihe von Rollen und durch verschiedene Matrizen geführt, um ihre Dicke zu verringern. Der Durchmesser des Drahtes muss gleichmäßig sein, da jede Abweichung die Präzision beeinträchtigt. Eine Spiralfeder ist in der Regel nur wenige Mikrometer dick und wird mit präzisen, in Nanometern gemessenen Toleranzen hergestellt.

Sobald der Draht die richtige Dicke hat, wird er in “Klingen” geschnitten und aufgewickelt. Diese Spulen werden in einem Ofen gebacken. Auch hier sind die Temperatur und die Backzeit Betriebsgeheimnisse.

Zwischen jeder Unruhspirale und jeder Unruh gibt es winzige Unterschiede. Sie werden auf der Grundlage ihrer individuellen Eigenschaften miteinander verbunden. Die Spiralfeder wird mit Hilfe eines Lasers in der Spannzange der Unruh befestigt, die Länge der Spiralfeder wird bei Bedarf zugeschnitten. Die Unruh muss, ähnlich wie beim Auswuchten eines Autorads, ausbalanciert werden, indem Gewichte an der Felge befestigt werden. In diesem Fall wird in der Regel die Unterseite des Unruhreifs gebohrt.

Die Unruhspirale muss konzentrisch atmen, um präzise arbeiten zu können. Ein Fachmann nimmt mit Hilfe eines Mikroskops manuelle Einstellungen vor, um sicherzustellen, dass die Unruhspirale richtig atmet. Schließlich wird die Unruhspirale mit Hilfe eines Lasers mit einem Spiralklötzchen verbunden und das Spiralklötzchen an der Unruhbrücke befestigt.

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Wie bereits erwähnt, kaufen die meisten Unternehmen Regulierorgane von spezialisierten Drittfirmen, weshalb das NOMOS-Schwingsystem sehr ungewöhnlich ist. Tatsächlich verfügen nur wenige Uhrenmarken über die notwendigen Fähigkeiten, um ihr eigenes Regulierorgan herzustellen. NOMOS hat sich dafür entschieden, seine Spiralfeder in einem gehärteten blauen Finish zu präsentieren.

Das Uhrwerk – interessante Merkmale

Charakteristisch für die meisten Schweizer Uhren ist, dass sie aus einer Grundplatine und zahlreichen darüber liegenden Brücken bestehen. Zwischen der Grundplatine und den Brücken befinden sich verschiedene Komponenten wie das Räderwerk, das schlüssellose Uhrwerk usw., so dass sie praktisch einem uhrmacherischen Sandwich ähneln.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

NOMOS folgt der Glashütter Tradition, anstelle zahlreicher Brücken eine Dreiviertelplatine zu verwenden. Dadurch wird die Stabilität des Werks verbessert. Auch die Unruhbrücke ist mit zwei Schrauben befestigt, was sich als stabiler erweist als ein Unruhkloben, der nur mit einer Schraube befestigt ist.

Die Schwungmasse ist teilweise durchbrochen und gibt den Blick frei auf die darunter liegende, verzierte Dreiviertelplatte. Der größte Teil der Masse und damit das Gewicht befindet sich am Rand der Schwungmasse. Beim Kaliber DUW 3001 ist diese Masse geschickt über den Rand der Dreiviertelplatine hinaus positioniert und befindet sich in einem Trottoir”, einem Kanal, der um den Umfang des Uhrwerks herum verläuft. Auf diese Weise ist es NOMOS gelungen, die Dicke des Werks zu minimieren.

Trotz des bescheidenen Preises dieser Uhr sind zahlreiche Beispiele für Finissage zu finden. So ist beispielsweise die Hauptplatine mit Perlage verziert. Die Dreiviertelplatine und die Unruhbrücke sind mit Glashütter Riffelungen verziert, einer gestreiften Verzierung, die dem Konzept der Genfer Streifen ähnelt. Wie es sich für eine gute Uhrmacherin gehört, sind die Schrauben thermisch gebläut.

Schlussbemerkungen

Die Form folgt der Funktion” ist der Kern der NOMOS-Designsprache. Die Zeitanzeige ist klar und unmissverständlich, doch durch die Klarheit des Zifferblatts wirkt die gesamte Ästhetik aufgeräumt, rein und zeitlos. Wie bei vielen Objekten, die sich der Designphilosophie des Bauhauses verschrieben haben, ist auch die Tangente in den 30 Jahren ihres Bestehens nie veraltet.

Das schlichte, schnörkellose Design des Gehäuses schafft eine ergonomische Verbindung zwischen der Uhr und ihrem Träger. Es ist zwar hochglanzpoliert und strahlt einen brillanten Glanz aus, bleibt aber elegant zurückhaltend und spielt dem Zifferblatt gegenüber eine zurückhaltende Rolle.

NOMOS ist ein Synonym für Erschwinglichkeit und Qualität. Das Uhrwerk zeigt keine Anzeichen von Sparsamkeit, es ist schön verarbeitet und intelligent konstruiert. Die technischen Qualitäten der Marke sind unübersehbar. NOMOS stellt eigene Werke her, die mit einem eigenen Swing-System ausgestattet sind. Dieser geniale Ansatz in der Uhrwerkskonstruktion hat zu ultraflachen Kalibern geführt, die in schlanken, angenehm zu tragenden Uhren untergebracht sind.

NOMOS Glashütte Tangente neomatik platinum gray

Bild: Copyright: NOMOS Glashütte

Die Uhren aus der NOMOS-Manufaktur sind zeitlos schön, technisch hochwertig und bemerkenswert preiswert. Die NOMOS-Träger selbst sind jedoch nie prahlerisch oder protzig, sie genießen die Vorzüge ihres Besitzes in typisch bescheidener Weise. Ganz einfach: NOMOS-Träger sind meine Art von Menschen.